Vorträge

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Autonomes Fahren als rechtliche Herausforderung
Am 8.1.2020 fand der letzte IMKR-Vortrag im Wintersemester 2019/20 statt. Zu Gast war Prof. Dr. Jutta Stender-Vorwachs, LL.M. (Virginia), Juristische Fakultät der Leibniz Universität Hannover und stellv. Direktorin des interdisziplinären Instituts für automatisierte Systeme (RifaS). Sie sprach über ausgewählte Problemstellungen zum Thema „Autonomes Fahren als rechtliche Herausforderung“. Als Einstieg beleuchtete Prof. Stender-Vorwachs die wachsende Bedeutung der Automatisierung in der Fahrzeugindustrie. Daran anknüpfend erläuterte sie die Halter- und Fahrerhaftung, die §§ 1a, 1b und 1c StVG sowie §§ 63a, 63b StVG hinsichtlich hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen (Level 3 und 4) seit dem 21.6.2017 regeln. Dabei wurden fünf abgestufte Klassifikationen der Fahrzeugautomatisierung („Level“) geschaffen.

Die Assistenzelemente auf Level 1 sind mit Tempomat und Abstandserkennungssystemen bereits zahlreichen verbaut, unterstützen dabei aber lediglich das manuelle Fahren. Eine technische Ausstattung auf Level 2 findet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur in wenigen Fahrzeugen. Ermöglicht wird hierbei ein teilautomatisiertes Fahren, wie z.B. dem Folgen von Fahrspuren auf der Autobahn. Im hochautomatisierten Level 3 fährt das Fahrzeug insbesondere auf Autobahnen weitestgehend selbstständig, überholt, weicht aus und verlangt ein manuelles Fahren nur nach einer vorangehenden Systemaufforderung. Während auf diesem Level der Fahrer noch die gesamte Zeit das Geschehen beobachten muss, bewegt sich das Fahrzeug auf dem vollautomatisierten Level 4 bereits auch auf Landstraßen und in der Stadt alleine und verlangt keine konstante Aufmerksamkeit des Fahrers. Level 5 basiert sodann auf einem vollständig autonomen Fahren ohne Lenkrad oder andere Eingriffsmöglichkeiten durch den Fahrzeugführer.

Sodann erläuterte Prof. Stender-Vorwachs die Halterhaftung aus § 7 I StVG, wonach der Fahrzeughalter das Betriebsrisiko trägt. Nach h.M. stellen dabei die automatisierte Fahrfunktionen keine „höhere Gewalt“ i.S.d. § 7 II StVG dar, sodass die Haftungsfrage unverändert bleiben dürfte. Auch die Fahrerhaftung dürfte in Fahrzeugen der Level 3 und 4 gleichbleiben, da der Fahrer beim automatischen Fahren weiterhin die Kontrolle übernimmt. Folglich gilt nach §§ 18 I, 1a IV StVG auf Level 3 und 4 der Fahrer als Fahrzeugführer, wenn er das Fahrsystem „aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet“. Dazu muss das Fahrsystem gemäß § 1a II 1 Nr. 3 StVG jederzeit manuell übersteuerbar und deaktivierbar sein.

Beim Verschulden des Fahrers dürfte sich der Anteil an Unfällen wegen menschlichen Versagens, der derzeit noch bei rund 90 % liegt, im Zuge zunehmender Automatisierung deutlich verringern. Gleichwohl hält Prof. Stender-Vorwachs ein Beibehalten der Fahrerhaftung für geboten. Es blieben weiterhin Pflichten des Fahrers bei automatisierten Fahrsystemen, wie etwa die bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeugs (§ 1a I StVG) und die unverzügliche Übernahme der Fahrzeugsteuerung nach Aufforderung durch das System oder Erkennen bzw. Erkennenmüssen offensichtlicher Systemfehler (§ 1b II StVG). Gleichwohl verweist Prof. Stender-Vorwachs auf ein denkbares Verschieben der Verantwortlichkeit für Verkehrsunfälle bei zunehmender Automatisierung weg vom menschlichen Fahrer hin zum Fahrsystem, respektive dem Hersteller, der ein „Quasi“-Halter sein könnte. Übertragen auf Level 5 würde dies bedeuten, dass der Hersteller wohl als Fahrzeugführer angesehen werden muss.

Anschließend widmete sich der Vortrag dem Umfang der Produkt- und Produzentenhaftung, die mitunter die Gestaltung der Steuerungssoftware und der Einhaltung technischer Normierungen umfassen. Ebenso nahm sie eine strafrechtliche Einordnung vor, die allerdings weiterer Klärung bedürfe. Den Fahrer könne jedenfalls bei autonomen Fahrzeugen schwer eine Schuld treffen. Hingegen können eine stets drohende Strafbarkeit von Forschern, Programmierern, Hersteller und Verkäufern ebenso wenig gewollt sein.

Vor allem stellen sich datenschutzrechtliche Fragen.. So muss der Fahrzeughalter bei Unfällen dem Fahrer und/oder einem Dritten nach § 63b III Nr. 1, 2 StVG Daten der Blackbox im Fahrzeug für das Geltendmachen oder Abwehren von Ansprüchen zur Verfügung stellen. Das wirft angesichts der Vielzahl an beim autonomen Fahren erforderlichen Daten die Frage nach dem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG auf. Mit Blick auf die DSGVO bleibt Prof. Stender-Vorwachs zufolge nur eine Interessenabwägung im Einzelfall. Dabei lassen aber für den Betrieb des Fahrzeugs erforderliche Daten ein berechtigtes Interesse annehmen. Abschließend diskutierte Prof. Stender-Vorwachs mit den Teilnehmern u.a. die ethischen und grundrechtlichen Fragen, insbesondere die Vereinbarkeit des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit dem Vertrauen auf eine Maschine und die „Dilemmasituation“ bei unvermeidbaren Kollisionen mit Menschen.

Zur Vertiefung: Oppermann/Stender-Vorwachs, Autonomes Fahren, 2. Aufl., München 2020

Dipl.-Jur. Hans Steege referiert auf der the Future of Transportation World Conference, Wien zum Thema "Current legal issues in the context of autonomous driving"
Hans Steege referiert auf der the Future of Transportation World Conference, Wien zum Thema
Foto: Craig Marshall

Dipl.-Jur. Hans Steege referierte auf dem 28. Deutschen EDV-Gerichtstag in Saarbrücken zum Thema "Wem gehören die Daten? – Brauchen wir ein neues immaterielles Recht?“
Dipl.-Jur. Hans Steege referierte auf dem 28. Deutschen EDV-Gerichtstag in Saarbrücken zum Thema
Geleitet wurde der Arbeitskreis zu diesem hoch spannenden und aktuellen Thema von Herrn Dr. Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt, und Herrn RA Dr. Lapp. Neben Herrn Steege sprach Herr Prof. Dr. em. Fezer zu dieser Thematik.

Der Deutsche EDV-Gerichtstag fand vom 18. bis zum 20. September 2019 in den Räumen der Universität des Saarlandes statt und stand unter dem Motto „Digitalisierung und Recht – Herausforderungen und Visionen“. Mit mehr als 950 Teilnehmern aus Wissenschaft und Praxis ist der EDV-Gerichtstag der bundesweit größte Kongress auf dem Gebiet des IT-Rechts. Experten diskutieren aktuelle Entwicklungen an der Schnittstelle von Recht und Informationstechnologie. Die Arbeitskreise beschäftigten sich unter anderem mit Fragen der besonderen elektronischen Postfächer (beA, bebPo, beN), dem transnationalen Datenzugriff im europäischen Kontext, KI und Datenschutz, eGovernment/ eJustice, der Visualisierung in gerichtlichen Verfahren und der elektronischen Beweissicherung.

Das RifaS auf der Transatlantic Legal Conference am 5. April 2019 der DAJV
Bilder: Klaus Wedding

Der Direktor des RifaS, Rechtsanwalt Dr. Kuuya Chibanguza, hat auf der regelmäßig stattfindenden Transatlantic Legal Conference der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung e.V. (DAJV) am 5. April 2019 in Frankfurt am Main gesprochen. Thema des Vortrags war "Die Produktbeobachtungspflicht im Wandel der Digitalisierung".


In der anschließenden angeregten Diskussion wurde unter der Leitung des weiteren Vorstandsmitglieds des RifaS, Frau Professor Stender-Vorwachs, welche zudem auch Mitglied des Zentralvorstands der DAJV ist, mit den Teilnehmern der Veranstaltung die aktuelle Entwicklung des autonomen Fahrens und die sich daraus ergebenden rechtlichen Implikationen diskutiert. Die Diskussion umspannte dabei u.a. Themen der Produkthaftung vor dem Hintergrund vernetzter Technologien, die Frage nach dem Bestehen einer Pflicht des Herstellers zur Vornahme von Softwareupdates sowie die gesetzlichen Vorgaben an das autonome Fahren.


2. Fachkonferenz des VDI zur Umfelderfassung im Fahrzeug
Am 7. und 8. Mai 2019 fand in München die 2. Fachkonferenz des VDI zur Umfelderfassung im Fahrzeug statt. Etwa 120 ausschließlich männliche Teilnehmer behandelten ingenieurwissenschaftliche Themen rund um diese Fragestellung. Herr Prof .Dr.  Frank Köster, DLR Braunschweig, hatte als Verantwortlicher für die Tagung Frau Prof. Dr. Jutta Stender-Vorwachs gebeten, eine Keynote zu rechtlichen Rahmenbedingungen des automatisierten bis autonomen Fahrens zu sprechen. Zudem wurde Frau Stender-Vorwachs als Moderatorin eines World Cafés  zu rechtlichen Aspekten des automatisierten Fahrens aktiv. Die fachfremden Teilnehmer erwiesen sich als äußerst interessierte Beobachter, die  auch dem Interdisziplinären Institut für Automatisierte Systeme e.V. (RifaS) und dem alsbald erscheinenden Handbuch Autonomes Fahren von Oppermann/Stender-Vorwachs  Aufmerksamkeit entgegen brachten.

 Dipl.-Jur. Hans Steege bei „Forschung made in Niedersachsen“

Dipl.-Jur. Hans Steege bei „Forschung made in Niedersachsen“

Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Björn Thümler hatte zu der Veranstaltung „Autonomes Fahren – Fortschritt oder Entmündigung durch Technik?“ im Rahmen der Reihe „Forschung made in Niedersachsen“ am 25. April 2019 ins Braunschweiger Trafo Hub eingeladen.


Nach einer Begrüßung durch Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler eröffnete der Moderator Jan-Martin Wiarda (Journalist für Bildung und Wissenschaft) das Gespräch mit der Wissenschaft. Es diskutierten Professor Dr. Martin Johns (Leiter des Instituts für Anwendungssicherheit an der Technischen Universität Braunschweig), Florian Pramme (Mitarbeiter am Institut für Verteilte Systeme an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften), Professorin Dr. Katharina Seifert (Direktorin DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik, Braunschweig) sowie Dipl.-Jur. Hans Steege von der hiesigen Fakultät.


Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutierten zu Fragen der technischen Entwicklung, der Sicherheit autonomer Fahrzeuge, Moral und Ethik, Rechtssicherheit, Haftung, Datenschutz, Verkehrskontrollen und der Dilemmasituation.


Das Thema stieß bei den Zuhörern auf großes Interesse, was vor allem durch die regen Fragen des Publikums deutlich wurde.


Im Anschluss bestand bei einem Imbiss die Möglichkeit für weitere Gespräche.

Fotos: Michael Siebert
Hans Steege, Martin Johns, Florian Pramme, Katharina Seifert, Björn Thümler

Einladung zur TRUST-Lecture "Rechtliche Verantwortung für Autonomes Fahren"


Die TRUST-Lecture im WS 2018/19 widmet sich dem Thema "Verantwortung und Raum". Dabei wird das Wirkungsgeflecht zwischen Verantwortung, Verantwortungsübernahme und den räumlichen Strukturen und Beziehungen diskutiert werden. Räumliche Strukturen können als Quelle und als Ergebnis von Verantwortungsrelationen gesehen werden. Im Rahmen der TRUST-Lecture werden unterschiedliche Themenbereiche diskutiert, die alle durch "Verantwortung und Raum" geeint sind. Dabei gilt stets: wer übernimmt wofür und warum Verantwortung?

Zum Auftakt des Winterprogramms werden die Verantwortung und Probleme rund um das autonome Fahren beleuchtet:

Am Mittwoch, den 7. November 2018, wird Dipl.-Jur. Hans Steege um 18.00 Uhr in Raum 1507.004 (Conti Campus, Königsworther Platz, Hannover) zum Thema "Rechtliche Verantwortung für Autonomes Fahren - ein Einblick in die vielfältigen Problematiken" referieren.

Die Veranstaltung wird zusammen mit dem Interdisziplinären Institut für Automatisierte Systeme e.V. durchgeführt.

Über den Vortrag:
Autonomes Fahren ist zumindest auf den Straßen noch Zukunftsmusik. Fahrzeuge, die sich fahrerlos auf den Straßen bewegen, die selbstständig handeln und Rechtsgeschäfte abschließen, stellen das Recht vor neue Herausforderungen. Im öffentlichen Recht ergeben sich vor allem im Bereich der Grundrechte einige Probleme. Ist es beispielsweise dem Menschen möglich, seine Entscheidungsfreiheit an eine Maschine abzugeben? Lässt sich bei einem drohenden Unfall das Leben aller möglichen Beteiligten gegeneinander aufrechnen?

Verantwortung zeigt sich überdies im Bereich des Datenschutzrechts. Hier sind es vor allem Unternehmen, die an personenbezogenen Daten Interesse haben. Verantwortung für personenbezogene Daten eines jeden Individuums steht synonym für den Schutz personenbezogener Daten. Doch ist dieser bei autonomen und vernetzten Fahrzeugen noch möglich? Ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung der neuen, digitalen Zeit gewachsen, oder kann das Recht nicht Schritt halten?
Durch die Vernetzung autonomer Fahrzeuge entstehen für Hersteller im Bereich des Telekommunikationsrechts neue Pflichten gegenüber den Fahrzeuginsassen.
Am Beispiel zivilrechtlicher Haftungsfragen soll zudem gezeigt werden, wer bei Unfällen eines autonomen Fahrzeugs die Verantwortung trägt.


Dipl.-Jur. Hans Steege referiert auf der "Nacht, die Wissen schafft", an der Leibniz Universität Hannover zum Thema "Rechtliche Hürden des autonomen Fahrens"

Hans Steege referiert auf der Nacht, die Wissen schafft, 2018, Leibniz Universität Hannover, über Rechtliche Hürden des autonomen Fahrens

Herzliche Einladung zur "Nacht, die Wissen schafft" der Leibniz Universität Hannover auf dem Conti-Campus, Königsworther Platz 1, am 10.11.2018.


Das Interdisziplinäre Institut für Automatisierte Systeme e.V. ist in diesem Jahr erstmals auf der "Nacht, die Wissen schafft" der Leibniz Universität Hannover vertreten.


Herr Dipl.-Jur. Hans Steege referiert über "Rechtliche Hürden des autonomen Fahrens". Die Veranstaltung findet am 10.11.2018 um 19:15 Uhr in Gebäude 1507 (Hörsaalgebäude), Raum 003 statt.


Über die Nacht, die Wissen schafft:


Es ist wieder soweit: Am Sonnabend, den 10. November 2018, erlebt Hannover zum siebten Mal „Die Nacht, die Wissen schafft“. Wir laden Sie herzlich ein, an diesem Abend einen Blick hinter die Kulissen unserer Universität zu werfen. Die drei Fakultäten auf dem Conti-Campus (Juristische, Philosophische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät) bieten im Rahmen der „Nacht, die Wissen schaft“ am Königsworther Platz 1 ein buntes und abwechslungsreiches Programm.


Über den Vortrag:


Autonomes Fahren soll den Alltag erleichtern und die Unfallzahlen senken. Doch ist autonomes Fahren rechtlich überhaupt möglich? Wie dürfen Algorithmen eine Dilemma-Situation lösen? Werden die Daten der Fahrzeuginsassen ausreichend geschützt? Was passiert mit den Daten anderer Verkehrsteilnehmer? Wer haftet eigentlich bei einem Unfall? Sind Verkehrskontrollen auch bei autonomen Fahrzeugen möglich?


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